Landeswohnungsgesellschaft

In Göttingen fehlen Tausende von bezahlbaren Wohnungen. Der Stadtpolitik gelingt es nicht, diese Wohnungsversorgung sicher zu stellen. Kommt jetzt mit der neuen Landeswohnungsgesellschaft Hilfe aus Hannover?

Die niedersächsische Landesregierung hat im Dezember 2023 eine Gesellschaft gegründet, um in Ergänzung der bestehenden Sozialen Wohnraumförderung den sozialen Wohnungsbau voran zu bringen. Seit Jahren fordern Verbände, der DGB Niedersachsen und Experten, dass der soziale Wohnungsbau deutlich ausgeweitet werden muss. Nun hat die rot-grüne Landesregierung reagiert und will mit einem eigenen Unternehmen, der „WohnRaum Niedersachsen GmbH“ den sozialen Wohnungsbau massgeblich voran bringen. Was genau soll sie leisten?

1 Der Auftrag
2 Welchen Beitrag kann man erwarten?
3 Die Vorgeschichte
4 Was leistet die Landeswohnungsgesellschaft? …. leider

1 Der Auftrag

„Die Gesellschaft soll in Regionen mit hohem Bedarf, überwiegend im urbanen Raum, zusätzlichen bezahlbaren beziehungsweise geförderten Mietwohnraum in Niedersachsen entwickeln – immer in enger Abstimmung mit den Kommunen, dem Verband der Wohnungswirtschaft und den vor Ort aktiven öffentlichen und privaten Wohnungsgesellschaften.
Dabei wird sich die Landeswohnungsgesellschaft als Partner im Verband der Wohnungswirtschaft an der Seite der Wohnungsbaugesellschaften positionieren und im gemeinsamen Miteinander von Kommunen und Wohnungsunternehmen am Markt agieren.
Die Landeswohnungsgesellschaft kann je nach Projekt dabei sowohl selbst als Bauherrin, aber auch als kooperierende Projektpartnerin beziehungsweise bei kommunalen Projekten, die ohne die Gesellschaft unter den aktuellen Bedingungen keine Chance auf Realisierung haben, auftreten. Das wird in starkem Maße von den Möglichkeiten und Bedarfen vor Ort abhängig sein.“ (1)

Die Aussagen zu den Aufgaben dieses Unternehmens bleiben recht allgemein: „am Markt agieren“, „Partner im Verband der Wohnungswirtschaft“, „kooperierende Projektpartnerin“, ja auch „ selbst als Bauherrin“. Deutlich ist nur, dass die Landesregierung mit ihrem Unternehmen der privaten Wohnungswirtschaft keine Konkurrenz machen will. Nicht Konkurrent, sondern Partner von kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen und von privaten Investoren soll die Landes-wohnungsgesellschaft sein – „Genau so ist es gedacht“ (Wirtschaftsminister Lies, 12.10.2023) (2)

Die WohnRaum Niedersachsen GmbH soll dabei helfen, mehr sozial geförderten Wohnraum zu schaffen. Denn den habe die „sehr stark renditeorientierte“ „extreme Bautätigkeit“ in den letzten Jahren nicht geschaffen (ebd.). Und jetzt könnten die Privaten das nicht – wegen gestiegener Zinsen, hohen Preisen, Fachkräftemangel usw. Um das Investieren wieder lohnend zu machen, arbeite die Landesregierung daran: „Wie bekomme ich ein Gebäude eigentlich günstiger“? Neben Gebäudetyp E, höheren Abschreibungen u.a.m. gehört zum „Bau-Turbo-Pakt“ auch die Landeswohngesellschaft. Denn mit „einem eigenen Wohnungsbestand kann man eben einen Beitrag leisten, damit das Menschenrecht Wohnen am Ende garantiert wird.“ (ebd.)

Dass diese Landeswohnungsgesellschaft erst jetzt kommt, obwohl das Problem schon seit vielen Jahren besteht, liegt – so die SPD – an der CDU, die es in der ‚Großen Koalition‘ von Ende 2017 bis 2022 blockiert habe. Und in der Zeit 2013-2017 sah die rot-grüne Regierung offenbar keine Notwendigkeit. Es gab ja die Mietpreisbremse.

2 Welchen Beitrag kann man erwarten?

Der Evangelische Pressedienst epd (vom 11.12.2023) zitiert den Wirtschaftsminister: Der WohnRaum Niedersachsen GmbH wird ein Startkapital von 100 Mio. Euro zugewiesen. Zusammen mit Förderkrediten in Höhe von rund 240 Mio. Euro und weiteren 90 Mio. Euro von Krediten auf dem freien Markt „ bestehe unter den aktuellen Marktbedingungen die Möglichkeit, zunächst einen Bestand von etwa 1.600 landeseigenen Wohnungen aufzubauen. „Rund 90 Prozent dieser Wohnungen wollen wir neu bauen.“ Der überwiegende Teil der künftigen Wohnungen soll zudem im sozial geförderten Segment mit Quadratmeterpreisen zwischen 6,00 Euro und 7,50 Euro entstehen.“

Um die Zahl einzuordnen: Die Landesregierung sagt, dass bis 2040 147.000 Geschosswohnungen fehlen, davon allein bis 2031, also „in den nächsten Jahren“, 96.000 Wohnungen (WOM 2023, 68). Rund 1.300 geförderte neue Wohnungen für ganz Niedersachsen !? Das klingt bescheiden. Aber angesichts der traditionell sehr niedrigen Mengen sozial geförderter Mietwohnungen in Niedersachsen könnte es glatt eine Verdoppelung bedeuten. Dass allein in Göttingen, so das GEWOS-Gutachten (2023), bis 2030 2.100 bezahlbare Wohnungen fehlen, das ist nun ja bedauerlich. Viel kann man in Göttingen also wohl nicht erwarten.

Es verwundert nicht, dass der bescheidene Beitrag durch die Landeswohngesellschaft bei Verbänden, die für mehr soziale Gerechtigkeit eintreten – z.B. Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesarmutskonferenz – , wenig Begeisterung ausgelöst haben. Niedersachsen wird damit weiterhin zu den Schlusslichtern unter den Bundesländern gehören, was die Schaffung von Sozialwohnungen bezogen auf die Zahl der Mieterhaushalte angeht (Pestel 2023).

3 Die Vorgeschichte

Wie kam es überhaupt dazu, eine Landeswohnungsgesellschaft einzurichten?
Ende der 2010er Jahre war das Versagen der Sozialen Wohnraumförderung in Niedersachsen so deutlich unübersehbar, dass auch Gewerkschaften wie der DGB Niedersachsen von einer Wohnungskrise sprachen und eine Änderung der Wohnungspolitik forderten.
Im Januar 2019 forderte der DGB Niedersachsen in einem 30seitigen Papier detaillierte „Schritte aus der Wohnungskrise in Niedersachsen“ (DGB 2019). Zu ihnen gehörte eine „Landeswohnbaugesellschaft als elementare Säule der Wohnungspolitik!“.

Die LandeswohnBAUgesellschaft sollte u.a.
– dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen, also keine zeitliche Begrenzung der Mietpreisbindung,
– keine Gewinne ausschütten, sondern sie reinvestieren,
– eine eigene Bausparte aufbauen,
– Mietermitsprache stärken
– unveräußerlicher Landesbesitz sein, etwa in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts.

Die LandwohnungsBAUgesellschaft war vom DGB gedacht als ein weiterer Akteur auf dem Wohnungsmarkt, der durch öffentlichen Wohnungsbau vor allem in „angespannten Wohnungsmärkten“ dazu beiträgt, die Mieten bezahlbar zu halten. „Wohnungsbau: Markt oder Staat? Beides!“ (DGB 13.2.2020)

Aber in der Konzeption war es auch ein Ansatz zu einer neuen Wohnungspolitik, einer Wohnungswirtschaft, die nicht von Renditekalkulationen gesteuert wird, sondern von der Versorgung der Menschen. Das Bündnis „Gutes Wohnen für Alle“ hat daher diesen Vorschlag ausdrücklich unterstützt, unter anderem mit einer Podiumsdiskussion im Juli 2021.

Was ist aus der Forderung des DGB geworden? Im Februar 2020 übernimmt die SPD Niedersachen das DGB-Konzept einer Landeswohnungsbaugesellschaft (SPD 2020), begrüsst es „ausdrücklich“ , aber leider blockiere die CDU. Im Februar 2022 mahnt der DGB, endlich mit der Gründung voranzumachen (DGB 2022). Im Mai 2023 erinnert der DGB noch einmal daran, dass eine LandeswohnBAUgesellschaft nützlich wäre (DGB 2023a). Doch die Wahlkampfzeiten sind vorbei. Seit November 2022 regiert wieder rot-grün. Mit der Möglichkeit des Einstiegs in eine andere Wohnungspolitik muss man Wählerinnen nicht mehr locken. „Ideologische Fragen“, so Schmitt, müssen nicht länger diskutiert werden:
„Susanne Schmitt, Direktorin des Verbandes der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen hält die Forderung nach einer Landeswohnungsbaugesellschaft eher für eine „ideologische Frage“.“ (GT 18.9.2020)

Im Herbst 2019 hatten auch die Grünen eine Landeswohnbaugesellschaft gefordert, aber keine wie der DGB, sondern sie wollten – „als ersten Schritt“ – einen Ausbau der Niedersächsischen Landgesellschaft NLG. Nach der gewonnene Landtagswahl an der Macht wird aus der Landeswohnbaugesellschaft eine Landeswohnungsgesellschaft: Im Koalitionsvertrag SPD-Grüne (November 2022) lautet das Ziel nun: „gründen wir im ersten Regierungsjahr eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Landeswohnungsgesellschaft. Aufgabe der Gesellschaft sind der Kauf, die Sanierung und die Schaffung von Wohnraum“ (Koalitionsvertrag 2022, 19).

Vom DGB-Vorschlag ist nichts mehr übrig geblieben. Dennoch begrüsst er im Dezember 2023 die – ganz andere- Landeswohngesellschaft als einen „Grundstein“ und als eine erfolgreiche „Umsetzung einer zentralen Forderung des DGB“ (DGB 2023b).

4 Was leistet die Landeswohnungsgesellschaft? … leider

Ein paar mehr bezahlbare Wohnungen. Zu wenige, aber jede hilft. Und Göttingen profitiert vielleicht, weil die Geschäftsführerin der WohnRaum Niedersachsen GmbH zuvor Tochtergesellschaften der Klosterkammer Hannover geleitet hat und die Klosterkammer Haupt-Projektentwickler im geplanten Europaquartier ist.

Eine „Zeitenwende“ in der Wohnungsversorgung wird die Landeswohngesellschaft nicht bringen. Sie soll den WohnungsMARKT ja auch nur ergänzen, dort wo der Wohnungsneubau sich nicht rentiert.

Aber eines leistet diese Gesellschaft für die Politik schon: den Nachweis, dass die Politik sich kümmert.
Die Politik erklärt die Forderungen nach mehr bezahlbarem Wohnraum für berechtigt (hierfür muss allerdings ein fiktives, dem Staat übergeordnetes Rech herhalten – das “Menschenrecht“). Aber sie anerkennt dieses Interesse nicht nur. Sie kümmert sich auch und handelt – z.B. mit einer Landeswohngesellschaft, mit einem „Handlungskonzept zur Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum“. Allerdings stehen dem bekundeten guten Willen und dem höheren Menschenrecht so grosse Hürden entgegen, „Sachzwänge“ machen es ihr so schwer, „Sachzwänge“, die die Politik selbst eingerichtet hat wie etwa den, dass die Wohnungsvermietung ein profitables Geschäft sein muss, „Sachzwänge“, die auch ein Menschenrecht nicht überwinden kann., so dass die berechtigten Interessen leider nicht zu verwirklichen sind.. .

Wie sehr sich die SPD für bezahlbares Wohnen ins Zeug legt und welche Hürden und „Sachzwänge“ dem Menschenrecht auf bezahlbares Wohnen leider entgegenstehen, will die SPD am 23.5.2024 im Alten Rathaus auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung vorführen.

Angekündigte Teilnehmer der Veranstaltung: Wirtschaftsminister Lies (SPD), Dr. Susanne Schmitt, Marco Brunotte (AWO, SPD-Landtagsabgeordneter 2008-2017).

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Die am 24.1.2024 im Handelsregister eingetragene Landeswohnungsgesellschaft heisst „WohnRaum Niedersachsen GmbH“. Sie ist zu 100% eine landeseigene Gesellschaft mit einem Stammkapital von 600.000 Euro, Sitz: Hannover, Spohrstr. 2. Seit dem 2.5.2024 ist Sylvia Viebach die Geschäftsführerin; sie war zuvor Geschäftsführerin zweier Tochtergesellschaften der Klosterkammer Hannover, der Liemak Immobilien GmbH und der AKH Grundbesitzgesellschaft mbH. „Sie verantwortet in Abstimmung mit den Aufsichtsgremien die Realisierung des Markteintritts bzw. die Entwicklung eines landeseigenen Wohnungsportfolios.“ … (Sie soll) in Ergänzung zu und in Partnerschaft mit den bereits etablierten Wohnungsgesellschaften, -genossenschaften und Unternehmen als unmittelbar gestaltende Akteurin aktiv werden.“ (/https://wohnraum.niedersachsen.de/startseite/geschaftstatigkeit/informationen_portfolioaufbau/)
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Quellen

1) (https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/bauen_wohnen/wohnraum_niedersachsen_landeswohnungsgesellschaft/wohnraum-niedersachsen-landeswohnungsgesellschaft-227933.html; vom 8.2.2024)
2) Niedersächsischer Landtag, 19. Wahlperiode,,Stenografischer Bericht, 23. Plenarsitzung am 12. Oktober 2023.
3) Evangelischer Pressedienst epd: http://www.epd.de
4) WOM 2023: Nbank 2023: Wohnungsmarktbeobachtung 2023. Hannover.
5) GEWOS 2023: Aktualisierung der Analyse der sozialen Wohnraumversorgung und Wohnraumbedarfsprognose für die Stadt Göttingen. Juni 2023.
6) Pestel 2023: Pestel Institut: Bauen und Wohnen in der Krise. Aktuelle Entwicklungen und Rückwirkungen auf Wohnungsbau und Wohnungsmärkte. Hannover
7) DGB 2019 : Bezahlbarer Wohnraum für alle. Schritte aus der Wohnungskrise in Niedersachsen. Hannover.
8) SPD 2020: Pressemitteilung vom 6.2.2020 (https://www.spdnds.de/2020/02/06/mehr-bezahlbarer-wohnraum-fuer-niedersachsen-spd-will-neue-landeswohnungsbaugesellschaft-schaffen/)
9) DGB 2020: Schlaglicht 06/2020; DGB 2022: DGB Schlaglicht 07/202; DGB 2023a: DGB Schlaglicht 17/2023; DGB2023b: DGB PM048/2023
10) Koalitionsvertrag 2022: SICHER IN ZEITEN DES WANDELS – Niedersachsen zukunftsfest und solidarisch gestalten. Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Niedersachsen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen 2022 – 2027, p.19)

LEG (3)

Hohe Nebenkosten für die Mieter
Rechtsschutz für das Eigentum

In Grone haben die LEG-Mieter:innen existenzbedrohende Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2022 erhalten. Die von der LEG in Rechnung gestellten Nachforderungen sind in etlichen Fällen so hoch, dass sich der Rat der Stadt Göttingen genötigt gefühlt hat, eine Solidaritätserklärung abzugeben (GT 19.2.2024). Die (mit)regierende SPD formuliert in einem Ratsantrag vom 1.2.2024 dazu:

„Niemand sollte gezwungen sein, die Wohnung wechseln zu müssen, weil er/sie extrem gestiegene Heizkostennachforderungen nicht zahlen kann, die aus Verträgen über börsennotierten Gaspreisschwankungen resultieren, von denen er/sie nichts wusste und die er/sie selbst nicht beeinflussen konnte.“

Ob SPD-Politiker sich in dem von ihrer Partei ja tatkräftig mitgestaltetem Rechtsstaat auskennen, scheint nach der Veranstaltung letzte Woche fraglich. Die LEG hat nicht nur die Energielieferverträge öffentlich gemacht, sondern auch gleich ein von ihr beauftragtes Rechtsgutachten. Wenig überraschend kommt dieses Gutachten zu dem Schluss, dass die Forderungen der LEG rechtmässig und wirksam sind.

Ob diese Auslegung des Rechts vor Gericht auch Recht erhält, ist schwer einzuschätzen. Interessant ist aber, welche rechtlichen Bestimmungen sie heranziehen (können), um die Forderungen der LEG als rechtmässig zu begründen. Wen schützt der soziale Rechtsstaat?

Dass der Schutz des Privateigentums zum Kern des demokratischen Rechtsstaates gehört, ist ja bekannt. Doch verbreitet ist die Hoffnung, dass die Mieterrechte einen tauglichen Schutz vor den Zugriffen der Vermieter (vor allem bei Kündigung und Mieterhöhung und z.T. auch den Nebenkosten) bieten. Warum in diesem Fall der extremen Nebenkosten der Rechtsstaat die Vermieter, also die Eigentümer, nicht im Regen stehen lässt – so das Gutachten – , ist aufschlussreich.

Zunächst zum Sachverhalt, der Grundlage für die juristischen Auseinandersetzungen:

Die Westgrund Niedersachsen Süd GmbH, Tochterunternehmen der Adler Real Estate, schliesst wohl mit der Adler Energy Service GmbH, Berlin, einen Vertrag über die Lieferung von Wärme für ihre Wohnungen ab. 2017 schliesst die Adler Energie Service GmbH mit der mit enercity Contracting GmbH, Hannover, Tochtergesellschaft derenercity AG, Hannover, eine auf 5 Jahre befristeten Wärmliefervertrag für die Zeit vom 1.1.2017 bis 31.12.2022 ab. Dieser Vertrag legt die (Grund- und Arbeits-) Preise für die Gaslieferungen fest – und zwar einen „Basispreis“ für jeden Gebäudekomplex einzeln (also 25 verschiedene für Grone) sowie die Preisänderungsklauseln (Koppelung an einen Börsenkurs). Im Oktober 2021 meldet die LEG den Kauf von fast 90% der Westgrund-Immobilien (Share-Deal) und übernimmt die Wohnungsbestände zum 1.1.2022. Auf dieser Rechtsgrundlage berechnet die LEG die Nebenkosten und verschickt die Hiobsbotschaften pünktlich zum Weihnachtsfest 2023. Die Wärmekosten haben sich 2002 gegenüber 2021 mehr als verdoppelt (+114% laut LEG). In 18 Fällen liegen die Nachforderungen über 5.000 Euro.

Das Rechtsgutachten im Auftrag der LEG stellt fest: Die Nachforderungen sind rechtlich korrekt. Aus der Begründung:

1. Der Vertrag über die „börsennotierten Gaspreisschwankungen“ ist rechtens („wirksam“). Westgrund durfte solch einen „Wärmevertrag“ abschliessen und die Kosten auf die Mieter umlegen.
Ein wirtschaftlicher Schaden für die Mieter, der einen Schadensersatzanspruch begründet, sei nicht entstanden. Und wenn, dann hätten Mieter, die schon im Dezember 2017 dort wohnten – und nur die – , sich gegen die Änderungen (Lieferung durch enercity) wehren können und den Schaden nachweisen müssen. Haben sie aber nicht. Und hätten sie damals wahrscheinlich auch nicht können.

2. Alle neuen Mieter nach Ende 2017 haben diesem Gasliefervertrag – rechtlich gesehen – mit dem Mietvertrag zugestimmt. Sie haben sich – so die rechtsstaatliche Annahme – vor Vertrags-unterzeichnung auch den „Wärmevertrag“ samt Preisänderungsklausel genau angesehen. Wenn sie mit börsennotierten Gaspreis nicht einverstanden gewesen wären, hätten sie den Mietvertrag auch nicht unterschrieben. Ob sie angesichts der Wohnungsmarktsituation überhaupt eine Wahl gehabt hätten und zu einen anderen Vermieter hätten wechseln können, das ist rechtlich nicht von Bedeutung. Vertrag ist Vertrag und Verträge sind einzuhalten.

Ein Vertrag ist etwas sehr Grundlegendes in einer freiheitlichen Gesellschaft und Marktwirtschaft. Und das Vertragsrecht ein zentraler Baustein des Rechtsstaates. In einem Vertrag regeln zwei Parteien mit unterschiedlichen, gegensätzlichen Interessen die Bedingungen von Kauf/Verkauf. Formal sind die beiden Parteien gleichgestellt, gleich berechtigt. Sie sind auch (fast) völlig frei darin, welche Bedingungen sie vereinbaren. Der Rechtsstaat sorgt mit seiner Justiz dafür, dass Verträge – welchen Inhalt sie auch haben – eingehalten werden. Auf dieses grundlegende Rechtsprinzip der Vertragsfreiheit sind besonders CDU und FDP stolz (auch die AfD) und möchten es gern in möglichst allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen zum Prinzip machen (Liberalisierung).

Doch die gleich berechtigten Vertragsparteien sind nicht unbedingt auch gleich mächtig. Ihre Möglichkeiten sind sehr verschieden, was ihre Finanzen, ihr Wissen oder etwa ihre Erfahrungen im Umgang mit Institutionen betrifft. Mieter kennen sich in der unübersichtlichen Rechtslage nicht aus, Vermieter haben juristische Abteilungen. Mieter können nicht auf eine Wohnung verzichten; Vermieter müssen nicht zu jedem Preis vermieten, sie können die Wohnung auch längere Zeit leer stehen lassen.
Formal gleich, aber ökonomisch höchst ungleich – Mieter kennen dieses Machtverhältnis und die negativen Folgen für die Mieter zur genüge. Dass Grund- und Hauseigentümer immer wieder auf ihre Vertragsfreiheit pochen, sie einfordern und eine Ausweitung des Mieterschutzes ablehnen, zeigt: Der Rechtsschutz der Vertragsfreiheit ist für das Eigentum, für die Vermieter ein ganz zentraler, nützlicher Schutz.

Das LEG-Rechtsgutachten fordert, dass die Mieter ihren Vertragspflichten nachkommen, und führt aus, dass die Vertragspartei LEG sich an das Vertragsrecht gehalten hat. Auch in puncto Wirtschaftlichkeitsgebot.

3. Im Fall der Vermietung hat die Vermieter-Partei die Pflicht, den Mieter von „unnötigen Kosten“ „freizuhalten“. Für die Posten der Nebenkosten, die auf den Mieter umgelegt werden können, gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit.

Hätte die LEG die Gefahr von absehbar steigenden Börsenkursen für Gas von den Mietern abwenden müssen? Hätte die LEG den Liefervertrag rechtzeitig kündigen und den Lieferanten wechseln müssen? Wie zu erwarten argumentiert das Gutachten, ein Pflichtverletzung seitens der LEG liege nicht vor. Und überhaupt müsse laut Gesetz das Gebot der Wirtschaftlichkeit nur ‚beachtet‘ werden, könne nur innerhalb von 12 Monaten nach Zugang der Abrechnung ‚eingefordert‘ werden, usw.


Man ahnt den Spielraum für die Interpretation des Gesetzes Ob das Gutachten das Recht richtig oder doch einseitig/falsch auslegt, das entscheidet letztlich ein Gericht. Man ahnt auch den juristischen Aufwand, der nötig sein könnte, sich in aufwändigen und langwierigen Gerichtsprozessen gegen die LEG durchzusetzen. Und wie sollen Mieter, die auf eine preisgünstige Wohnung angewiesen sind, diesen Aufwand bezahlen? Die ökonomisch ungleiche Macht schlägt erneut zu.

Ob die Solidarität des Göttinger Stadtrates die Kosten für solchen möglichen Rechtsstreit übernimmt? Oder besteht sie darin, einigen Mietern – eventuell und nach Prüfung mit etwas Geld – zu helfen, den Vertrag zu erfüllen?

Der Rechtsstaat schützt neutral und formal „nur“ den Vertrag. Dass die wirtschaftlichen und sozialen Folgen nicht alle gleich treffen, dem einen mehr schaden, den anderen in seinen wirtschaftlichen Interessen schützen und nützen, ist bekannt, vielleicht bedauerlich, aber Recht.

Wohnungslos

Die Zahl der Menschen, die wohnungslos sind, steigt seit 2-3 Jahren wieder . Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) waren in Deutschland Anfang 2023 über 600.000 Menschen betroffen.1 Auch die 2020 neu eingeführte amtliche Statistik über untergebrachte Wohnungslose registriert für Januar 2023 gegenüber Januar 2021 einen Anstieg um 39%.2 In Göttingen wird es einen vergleichbaren Anstieg von Wohnungslosigkeit geben. Wie reagiert die Stadtverwaltung? Zwei aktuelle Stellungnahmen geben darüber aufschlussreich Auskunft .

Die Stellungnahmen gehen auf Anfragen vom Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt zurück („Das Menschenrecht auf Wohnen in der Stadt Göttingen stärken“ vom 25.4.2023 und vom 28.9.2023).3 In ihren Anfragen verlangen die Grünen Auskunft darüber, ob die Verwaltung Verbesserungsmöglichkeiten in der Betreuung und Versorgung von Menschen sieht, die wohnungslos sind oder denen die Wohnungslosigkeit droht:

  • Sollte der Zugang zu bestehenden Angeboten erleichtert werden (Beispiel: Stadt Kassel)?
  • Sollten die Betroffenen besser über die Angebote informiert werden?
  • Was unternimmt die Stadt, um den Menschen in prekären Lebenssituationen sozialen Wohnraum zur Verfügung zu stellen?
  • Könnte nicht nach dem Modell Hannover Wohnraum für Wohnungslose geschaffen werden?
  • Registriert die Stadtverwaltung die Zahl der Wohnungslosen überhaupt?

Der Tenor der Antwort: Die Göttinger Stadtverwaltung ist davon überzeugt, alles richtig zu machen. Es gibt von Seiten der Stadt also eigentlich nichts zu verändern oder gar zu verbessern. Die Stadt Göttingen will in mancher Hinsicht sogar mehr tun, als die Stadt Kassel. Kurz: Die Stadtverwaltung behauptet, dass sie sich anstrengt und alles tut, was notwendig ist. Mehr liegt nicht drin. Konstruktive Vorschläge braucht es nicht und Kritik ist völlig unangebracht.
Mit ihrer Stellungnahme gibt die Stadtverwaltung Auskunft darüber, wie der (lokale) Sozialstaat aktuell seine soziale Verantwortung bestimmt. Wie hilft er Menschen in Not? Wie unterstützt er Menschen in prekären Lebenslagen? Wie gestaltet er das Netz sozialer Sicherung und wer soll damit „aufgefangen“ werden?

Versprechen, Visionen – Schnee von gestern?

Kurz ein interessanter Blick zurück. Was hat die Göttinger SPD in ihren früheren Kommunalwahlprogrammen versprochen oder zumindest angesprochen?
Im Kommunalwahlprogramm der SPD von 2006 liest man auf Seite 10:

„Chancengleichheit, menschenwürdige Lebens- und Wohnbedingungen müssen allen und nicht nur wenigen zur Verfügung stehen. Die SPD übernimmt soziale Verantwortung und setzt sich heute wie morgen für ein leistungsfähiges Netz an sozialen Sicherungen und Hilfen ein, das die Arbeits- und Lebensverhältnisse in Göttingen umfassend verbessert und Menschen vor Not, Entwürdigung und Vereinsamung schützt. Jeder Mensch, der auf Unterstützung anderer angewiesen ist, muss auf die Unterstützung der Gemeinschaft vertrauen können.
Die Göttinger SPD verfolgt das Ziel der politischen Beteiligung und Gleichstellung aller gesellschaftlichen Gruppen. Hierzu gehört die politische und gesellschaftliche Teilhabe von Seniorinnen und Senioren, behinderten Menschen und Migrantinnen und Migranten in unserer Stadt.“4

Im Kommunalwahlprogramm der SPD von 2016 heisst es :

„Wir wollen unser Augenmerk noch stärker auf Menschen in besonderen Notsituationen richten. Dabei streben wir eine Vernetzung aller Träger an, weil immer mehr Menschen unter multiplen Problemlagen (Wohnungssuche, Schulden, Sucht, Gesundheit etc.) leiden. Insbesondere für sozial Schwache, chronisch Kranke, Suchtkranke und ältere Menschen wird in diesem Zusammenhang eine gute Gesundheitsvorsorge immer wichtiger. ..
Zwingend notwendig sind deshalb ortsnahe niedrigschwellige Kontakt- und Anlaufstellen, damit die Hürden zur Hilfesuche überwindbar sind …
Zugleich treten wir für bessere Absprachen und Kompetenzaufteilung unter den Akteuren ein. Es darf kein Nebeneinander geben sondern klare Verantwortlichkeiten.“ (SPD 2016, S.9)4

Chancengleichheit, Daseinsvorsorge, Schutz vor Not, Verbesserung der Lebenslagen, fürsorglicher Sozialstaat – all das soll man wohl mit dem „S“ in SPD verbinden. Sollte!

Doch das, so scheint es, ist Schnee von gestern. Im Kommunalwahlprogramm der SPD von 2021 finden sich solche Aussagen nicht mehr; unter dem Begriff der „solidarischen Stadt“ geht es um „gleichwertige Lebensqualität in den Quartieren“, um „gutes Miteinander der Generationen“, um Gleichstellung und (kulturelle) Vielfalt.6

Die Anfrage der Grünen wird also nicht als Unterstützung, als Erinnerung an Versprechen, als konstruktive Mahnung betrachtet, sondern als überflüssige, ja unnötige Kritik. Denn die Stadtverwaltung sieht ihr Handeln als angemessen an – als die aktuell richtige/notwendige/mögliche Praxis sozialstaatlichen Handelns.

Sozialstaat heute – Auskünfte der Stadt

Wie sieht diese ‚moderne‘ Praxis sozialstaatlichen Handelns aus? Einige Beispiele aus den Antworten der Stadt5:

Beispiel zentrale Servicestelle: Auf die Frage, ob nicht eine Bündelung der Beratungs- und Hilfsangebote in einer Wohnraumagentur wie z. B. in Kassel hilfreich wäre, antwortet die Stadt:
„.. im Fachbereich Soziale Sicherung als auch im Jobcenter [sind] alle Mitarbeiter*innen für die Beratung von Menschen in verschiedenen Notlagen geschult und vorbereitet“. Es würden die Leistungen aus „dem jeweiligen Hilfesystem“ erbracht – SGB-Leistungen vom Jobcenter, Wohnraumsicherung durch den Fachbereich, bei Problemen wie Überschuldung oder Drogen vermittele der Fachbereich an Beratungsstellen bei freien Wohlfahrtsträgern, Beratungsstellen der Mieterinitiative „Netzwerk gesundes Wohnen“ oder den Mieterverein. Kurz: Auch ohne die Einrichtung einer zentralen Fachstelle gelinge es der Stadt Göttingen, den wohnungslosen Menschen oder von Wohnungsverlust bedrohten Menschen „rechtskreisübergreifend direkt und ohne Verweisketten zu helfen.“ (Antwort1) Rechtskreisübergreifend und ohne Verweisketten!
Die Stadtverwaltung geht sogar noch einen Schritt weiter: „Aus Sicht der Verwaltung ist die Bündelung in einer Servicestelle der verschiedenen Unterstützungsleistungen der verschiedenen Rechtskreise keine Stärkung der Zugänglichkeit für besonders gefährdete Personen, .. [da es der Verwaltung gelingt].., .. ohne diese Servicestelle .. rechtskreisübergreifend direkt und ohne Verweisketten zu helfen.“ (Antwort2)
Das „Gelingen“ ist nur die Sichtweise der Stadtverwaltung, es ist nicht die Perspektive derjenigen, die Hilfe benötigen. Und dieses „Gelingen“ besagt auch nicht mehr, als dass die Verwaltung Gesetze und Verordnungen korrekt anwendet.

Beispiel Wohnungsversorgung: Zum Punkt einer sozialen Wohnraumhilfe (Beispiel Hannover) antwortet die Göttinger Stadtverwaltung kühl und ebenso formal, dass sie über Instrumente verfügt bzw. solche geschaffen hat – Kauf von Belegungsrechten, Ausstellung von Wohnberechtigungsscheinen, Bündnis für bezahlbares Wohnen, das Handlungskonzept für die Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnen 2018, „die gute Zusammenarbeit mit Wohnungsbauunternehmen“ (Antwort1).
Dass die Wirkung dieser Instrumente – wie hinlänglich bekannt und nachgewiesen7 – völlig ungenügend ist, erwähnt die Stadtverwaltung nicht. Über ihre Wirksamkeit äussert sich die Verwaltung überhaupt nicht. Aus ihrer Sicht handelt sie korrekt und hat sich bemüht (siehe Bündnis, Handlungskonzept).

Beispiel Umfang der Obdachlosigkeit/ Datenlage: Die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen ist nicht bekannt. Was unternimmt die Stadt dagegen? „ … eine belastbare Statistik kann nicht erstellt werden. Der Begriff Obdachlosigkeit ist nicht klar definiert und in der Anfrage zum Teil mit Wohnungslosigkeit gleichgesetzt …“ (Antwort2) Ob mit „nicht klar definiert“ die Anfrage der Grünen gemeint ist, wird nicht recht deutlich. Das Statistische Bundesamt zitiert sehr wohl eine „klare“ Definition (Wirtschaft und Statistik 1, 2023, S. 18).2 Zum einen erstaunt der zurechtweisende Ton, in dem die Göttinger Stadtverwaltung hier auf die berechtigte Frage der Grünen reagiert. Zum anderen wirft dieser Sachverhalt neue Fragen auf:
Wie kann die Stadtverwaltung davon überzeugt sein, dass sie „genug tut“ und die Lage im Griff hat, wenn sie gar nicht genau angeben kann, wie viele Menschen in Göttingen von der Wohnungslosigkeit betroffen sind?

Beispiel „Runder Tisch“ für Lösungen: Die Göttinger Fachtagung „Frauen.Wohnungslos.Unsichtbar.“ (vom 12. Oktober 2022) hatten in einem „eindringlichen Appell“ u. a. gefordert, einen Runden Tisch einzurichten, um mit Akteuren gemeinsam Lösungen zu erarbeiten (Offener Brief).8 Genau das stand 2016 auch noch so im Kommunalwahlprogramm der SPD.
Die Göttinger SPD und die Verwaltung sehen das heute etwas anders. Sie scheinen inzwischen ganz auf CDU-Kurs zu sein. Der Bündnisvereinbarung CDU/SPD/FDP („Göttingens Zukunft gemeinsam gestalten“, März 2022)9 fällt zu sozialer Gerechtigkeit als erstes ein, „Göttingen als Innovations- und Wirtschaftsstandort [zu] fördern und aus[zu]bauen“ (S.3). Ein „soziales Göttingen“ braucht aus Sicht der so genannten Deutschlandkoalition vor allem ein „aktives soziales Netzwerk“ von Vereinen und kulturellen Einrichtungen, deren (!) „hochwertige Arbeit“ und – auch – ausreichend bezahlbaren Wohnraum (S. 13f.). Es ist gut, dass diese zivilgesellschaftlichen Einrichtungen gibt. Aber hier wird das private soziale Engagement benutzt als Rechtfertigung für das Zurückfahren sozialstaatliches Handelns.

Die aktuelle Politik der Daseinsvorsorge fragt, welche sozialen Sicherungsnetze denn wirklich nötig, welche öffentlichen Einrichtungen und Hilfen wirklich unverzichtbar – und nicht zu teuer sind.
Die Notlagen und das Interesse der Wohnungslosen an einer Wohnung werden von der Politik nicht geleugnet. Sie stimmt sogar zu, dass diese Not ein existenzielles (!) Grundbedürfnis betrifft.

„Wohnungslosigkeit ist eine besonders prekäre Form
von Armut und sozialer Ausgrenzung, denn Wohnen
gehört zweifellos zu den existenziellen Grundbedürfnissen.“
(Niedersächsische Landesregierung 2019)10

Wer ist für die Not der Menschen verantwortlich? Aus Sicht der Regierenden hat die Armut nichts mit den gesellschaftlichen Strukturen zu tun. Sie wird auf individuelles Versagen, Schicksal, das Zusammentreffen unglücklicher Umstände zurückgeführt.
Dies verlangt – so die herrschende Politk – Mitleid und Respekt und die Verwaltung, nicht aber die Abschaffung oder deutliche Linderung der Armut.
Was in der Verwaltung der Armut möglich ist und als ausreichend betrachtet wird, das bestimmt nicht die Not-, sondern allein die Wirtschaftslage.

Diese Aufgabe, die Verwaltung der Armut
nach den Regeln, die die regierenden Parteien erlassen und verordnet haben,
diese Aufgabe erledigt die Göttinger Verwaltung ihrer Selbstbeurteilung nach sehr gut. Effizient, rechtssicher, zielgenau, umfassend, korrekt.


Gutachten bestätigt Analyse

Politik für bezahlbaren Wohnraum scheitert

Im März 2023 wurde in einer Veranstaltung vom Bündnis “Gutes Wohnen für Alle” und der Universität Trier (https://wordpress.com/post/stadtentwicklunggoettingen.wordpress.com/2459) dargelegt, dass die Göttinger Politik, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, weitgehend erfolglos ist und im Prinzip scheitern muss. Nun gibt es ein neues Gutachten von GEWOS, welches diese Analyse vom März bestätigt.

Dieses aktuelle Gutachten – “Aktualisierung der Analyse der sozialen Wohnraumversorgung und Wohnraumbedarfsprognose für die Stadt Göttingen” (GEWOS 2023) – präsentiert wie auch schon GEWOS 2016 und GEWOS 2017 Ergebnisse von Modellrechnungen. Die Annahmen und die “Tücken” dieses Modells sind früher schon detailliert kritisch analysiert worden. Doch die Ergebnisse dieser Modellrechnung nimmt die Stadt Göttingen als Grundlage ihrer Wohnungspolitik, besonders wenn es um die Rechtfertigung von Wohnungsneubau geht.

GEWOS (2023) widmet der sozialen Wohnraumversorgung ein eigenes Kapitel. Darin stellt sie fest:

Das Angebot an bezahlbaren Wohnungen ist seit 2017 kleiner geworden – absolut wie relativ.

Bei den Mietwohnungen in den Grenzen für niedrige Einkommen um rd. 33%, bei Mietwohnungen in den Grenzen für mittlere Einkommen um 43% (Grenzen nach dem niedersächsischen Wohnraumfördergesetz NWoFG). „Damit sind – trotz Erhöhung der Mietobergrenzen – deutlich weniger Wohnungen dem preisgünstigen Segment zuzuordnen als noch im Jahr 2017…” (S.37)
“Insgesamt kommen damit jährlich knapp über 1.500 bezahlbare Wohnungen auf den Markt, 1.000 weniger als noch im Jahr 2017.” (S. 38)

Das Defizit an bezahlbaren Wohnungen ist aktuell –fast- genauso so hoch wie 2017.


“Aktuelles Defizit: 1.700 Wohnungen – 1.000 Wohnungen laut niedriger Einkommensgrenze, 700 Wohnungen laut mittlerer Einkommensgrenze” (S.40) Und wenn Fehlbelegungen berücksichtigt werden, dann “liegt das aktuelle Defizit an bezahlbaren Wohnungen damit bei rund 2.000” (S.40). Fast genauso hoch wie 2017: Damals hatte GEWOS ein Defizit von 1.900 Wohnungen errechnet bzw. 2.400 Wohnungen, wenn Fehlbelegungen berücksichtigt werden. Grund für den etwas geringeren Wert aktuell ist ein “rechnerisch” geringerer Bedarf, also eine Folge der Modellkonstruktion, die aufgrund “ im Durchschnitt gestiegener Einkommen” und einer “geringere(n) Fluktuationsquote” eine geringere Nachfrage modelliert. (S.35)

Die Situation für Menschen mit gerigem Einkommen hat sich verschlechtert.

“In der Konsequenz verschlechtert sich die Situation für die Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Gleichzeitig steigen auf dem freifinanzierten Markt die Preise und verringern das bezahlbare Angebot für die Nachfragenden.” (S.42) – Die wichtigste Lösung nach GEWOS ist natürlich “Bauen, bauen, bauen”. (dazu demnächst ein Beitrag hier im Blog)

Die Stadt hat ihre selbst gesetzten Ziele bisher weit verfehlt

Die Stadt hat – so GEWOS – zwischen 2016 und 2021 Planungsvoraussetzungen für die Realisierung von 660 preisgebundenen Wohnungen geschaffen. “Das bedeutet einen Zuwachs von rund 110 geförderten Wohnungen jährlich … Da bis zum Jahr 2030 jedoch jährlich rund 300 bezahlbare Wohnungen entstehen müssten, ist die Schaffung weiterer preisgünstiger Angebote notwendig.” (S.48)

und wird sie auch in den nächsten Jahren verfehlen.

GEWOS bestätigt auch unsere Analyse vom März, dass die Stadt selbst mit Planungsrecht nicht genügend bezahlbaren Wohnraum schaffen wird.

“Praktisch hinken die Bautätigkeiten jedoch den Wohnraumbedarfen deutlich hinter her, da trotz zur Verfügung stehendem Planrecht nicht sofort, zu lange oder erst gar nicht gebaut wird. Überdies zeigt sich auch, dass die Bebauungsplanverfahren den Bedarf an geförderten Wohnungen nicht vollumfänglich abdecken und es ist ergänzend der Wohnraumbedarf für Geflüchtete zu berücksichtigen, der mit den vorgesehen Verfahren nicht abgedeckt werden kann. … Es fehlt an Wohnungen, besonders im bezahlbaren Segment ist der Druck hoch.” (S.49)

Die bisherige Politik “Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum” fördert weiterhin die soziale Ungleichheit.

Das Kommunale Handlungskonzept (2018) und das mit Investoren geschlossene Bündnis für bezahlbares Wohnen (2017) hat vor allem den Investoren genützt. Das wird auch weiterhin so sein, weshalb die „soziale Wohnraumversorgung“ auch zukünftig scheitern wird.
Der von der Stadt bezahlte Gutachter drückt das natürlich etwas vorsichtiger und verbindlicher aus:
„… befindet sich das Themenfeld Wohnen in einem Spannungfeld verschiedener gesellschaftlicher Herausforderungen … Das Thema bezahlbarer Wohnraum bleibt also weiterhin ein zentrales Handlungsfeld in der Göttinger Wohnungsmarktpolitik. …Das Planrecht allein mildert die Not nicht, wenn die Realisierung durch Bautätigkeit ausbleibt.” (S.50)

Für Menschen mit niedrigem Einkommen hat sich die Wohnungssituation trotz der Wohnungspolitik der Stadt kein Stück verbessert. Die Folgen der Inflation noch gar nicht berücksichtigt.

Alle Zitate aus:

GEWOS 2023: Aktualisierung der Analyse der sozialen Wohnraumversorgung und Wohnraumbedarfsprognose für die Stadt Göttingen. Hamburg
(Kommentar der Stadt Göttingen zum Gutachten:
„Auf Knopfdruck lassen sich Sozialwohnungen leider nicht herbeizaubern. …
Alle Beteiligten müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln und anpacken“, fordert Look.“
https://www.goettingen.de/portal/meldungen/gutachten-zum-goettinger-wohnungsmarkt-liegt-vor-900001932-25480.html?rubrik=900000003.)

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

Warum die Stadt Göttingen daran scheitert

Am 20.3.2023 haben Michael Mießner von der Universität Trier und Hans-Dieter von Frieling vom Göttinger Bündnis „Gutes Wohnen für Alle“ in einer Veranstaltung im Holbornschen Haus ihren „Wohnraum Atlas Göttingen II“ vorgestellt, der die Entwicklung der Angebotsmieten seit 2012 differenziert untersucht
(Zugang zur Veröffentlichung ).

Danach ist die durchschnittliche Angebotsmiete bis 2023 kontinuierlich gestiegen und liegt Anfang 2023 rund 45% über der von 2012. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass in dieser Zeit das preisgünstige Segment von 3-Zimmer-Wohnungen vor allem in Grone und Weststadt sehr stark geschrumpft ist.

Die Stadt Göttingen versucht seit Anfang 2018 mit ihrem „Kommunalen Handlungskonzept zur Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum in Göttingen“ (KHK) gegenzusteuern. Bisher weitgehend erfolglos. Warum die Stadt Göttingen – nicht total, aber prinzipiell – scheitert, war ausführlich Gegenstand des Vortrags wie der anschliessenden lebhaften Diskussion.
Das KHK konzentriert sich im Kern auf zwei Strategien: den Kauf von Belegungsrechten als Ersatz für auslaufenden Preisbindungen und – Stichwort „Bauen, bauen, bauen“ – auf den Neubau von sozial gefördertem Wohnraum mit Hilfe der 30%-Quote (genauere Analyse des KHK hier) . Die Stadt will den 2017 von der GEWOS geschätzten Fehlbedarf an bezahlbaren Wohnungen bis 2030 beheben. Sie hat sich dafür jährliche Zielvorgaben gesetzt

Die Ergebnisse laut Angaben der Stadt in ihren drei bisherigen Monitoring-Berichten:
a) Belegrechte, Mietpreisbindungen – Ziel der Stadt ist es, bis 2030 2.500 preisgebundene Wohneinheiten (WE) zu sichern oder jährlich durchschnittlich 210 WE; von den 2018-2021 angestrebten 840 WE sind nur 75 WE verwirklicht worden, also nicht einmal 10% – ein absehbares Scheitern.
b) neuer sozial geförderter Wohnraum – hier beträgt die jährlich durchschnittlich zu schaffende Grösse laut Stadt 125 WE, was bei einer 30%-Quote 333 jährlich neue WE bedeutet. Da die Stadt (so gut wie) nicht selber baut, kann sie nur die Möglichkeit des Bauens für Private schaffen – also Planungs- und Baurecht. Seit 2018 hat die Stadt quotenrelevantes Planungsrecht für 1.433 WE geschaffen und damit für 501 neue, „bezahlbare“ WE. Viele davon werden erst nach 2025 realisiert werden. Bezugsfertig sind voraussichtlich Ende 2024 nur 134 neue, geförderte WE. Die Zielgrösse wäre aber 750 WE gewesen. Blickt man auf 2030, dem Ende des Planungszeitraums, so sind derzeit noch etliche weitere Wohngebiete geplant bzw. angedacht. So das Europaquartier auf dem Holtenser Berg, Lange Rekesweg in Grone, Südliche Feldmark I und II in Geismar und andere. Geht man davon aus, dass diese Gebiete nicht nur neu geplant sondern auch bebaut werden und zwar ganz mit quotenrelevantem Geschosswohnungsbau (was unrealistisch ist), dann würden bis 2030 noch einmal rd. 425 sozial geförderte WE hinzu kommen. Das Ziel des KHK wäre dann immer noch um rd. 38% verfehlt.

Woran scheitert diese Politik, den erforderlichen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Aus kommunaler Sicht liegt der Grund zunächst in der untauglichen Wohnraumförderpolitik des (zuständigen) Landes Niedersachsen. In der Tat gehört dass Land Niedersachsen seit über einem Jahrzehnt zu den Bundesländern, die am wenigsten einen Mittel für die Wohnraumförderung aufbringen. Die niedersächsischen Konditionen sind für private Investoren völlig unattraktiv, was die Landespolitik – seit Jahren – weiss, aber nicht ändert. Jetzt kommen die gestiegenen Baupreise hinzu, die (auch) den sozial geförderten Wohnungsneubau drastisch einschränken.

Doch der zentrale Grund für das Scheitern, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist nicht „Marktversagen“, weil „der Markt“ gar nicht diesen Zweck hat. Es ist – auf Landes- wie auf kommunaler Ebene – das Dogma, dass die Politik bezahlbaren Wohnraum zu einer Restgrösse macht, der von den Kalkulationen und den zufälligen Entscheidungen privater Investitionen abhängig ist. LEG und Vonovia stellen derzeit ihre Neubautätigkeit weitgehend ein, fahren Modernisierungen drastisch zurück und erhöhen konstant ihre Mieten – Pech für Haushalte mit geringen Einkommen, von ihnen – nicht von den Aktionären – wird Geduld erwartet. Sie werden vertröstet: In 10 oder 20 Jahren können sie vielleicht etwas besser Wohnen (oder auch nicht). Die Ratsherren und -frauen der Deutschlandkoalition in Göttingen interessiert das wenig. Sie bedauern das natürlich und verweisen – wie immer – auf die (selbst geschaffenen) Sachzwänge.

Die Argumente, dass nicht „der Markt“ versagt hat, aber ein prinzipielles Scheitern der Wohnungspolitik vorliegt – in Göttingen wie in Niedersachsen und anderswo – , wurde heftig diskutiert ebenso wie Alternativen, besonders in Bezug auf die Eigentumsformen.

LEG: Zuhause zählst nur Du!

Der LEG-Service ist momentan nicht verfügbar, ist momentan nicht verfügbar, ist momentan nicht verfügbar …
Erfahrungen von Mieter:innen in Göttingen Grone

In ihren Geschäftsberichten schreibt die LEG über ihren Umgang mit ihren Mietern immer wieder – so auch 2021 – :

„Ein wesentliches Ziel der LEG sind zufriedene Mieter in stabilen Quartieren, in denen sie gut, sicher und zu fairen Mietpreisen wohnen können. … Deswegen verfolgt die LEG das Ziel einer nachhaltigen Kundenzufriedenheit. Dies wollen wir mit unserem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, durch die kontinuierliche und qualitative Verbesserung der LEG-Services sowie mit einer konsequenten Orientierung an den Bedürfnissen unserer Mieter erreichen.“
(LEG Immobilien S.E.: Geschäftsbericht für das Jahr 2021, Seite 116)

Beruhigende Worte für die Investoren und ihre Kapitalanlagen. Die Erfahrungen der Mieter:innen in Grone sind andere. Schon einmal wurde in diesem Blog ein Bericht aus Grone abgedruckt. In der ersten Jahreshälfte 2022 konnte die LEG noch die chaotische Übergabe der Adler Group für ihren heftig kritisierten Umgang mit den Groner Mieter:innen anführen. Das ist inzwischen noch weniger glaubhaft.

Wie steht es um das „wesentliche Ziel“ der LEG? Wie sieht die Realität der „konsequenten Orientierung an den Bedürfnissen unserer Mieter“ aus? Ein erneuter Bericht aus Grone:

Der folgende Text erschien in den Göttinger Blättern, Ausgabe: Oktober 2022).

„Und ewig grüßt das Murmeltier –
der Mieter*innenterror in Grone geht weiter“



Weder gab es die geforderten umfassenden Informationsschreiben an alle Mieter*innen, noch wurden die Bauschäden einheitlich erfasst, beseitigt und ent schädigt. Der Umgang der LEG mit den einzelnen Mietparteien gleicht einem willkürlichen Flickenteppich. Es gibt keinerlei Transparenz.

Da werden den Mieter*innen mal hier, und mal da willkürliche Beträge bar im Briefumschlag überreicht. Oder der Schadensersatz wird erst dem Mietkonto gutgeschrieben und dann bei Auszahlung halbiert. Dabei kommen nur die in den Genuss von Entschädigungen, die diese massiv, am besten mit rechtlicher Unterstützung einfordern.

Das Hauptproblem ist, überhaupt Kontakt zu der LEG zu bekommen. Das hat sich seit dem Wechsel von der Adler AG sogar noch verschlechtert. Vorher konnte man z.B. die Hausmeister direkt per Handy erreichen. Dies ist nun nicht mehr möglich. Bei allen Anliegen muss eine auswärtige Nummer gewählt werden, auf einen Rückruf kann man lange warten. Emails und Briefe bleiben unbeantwortet, sogar auf Post der rechtlichen Vertretung wird nicht reagiert.

Auch die wöchentliche Sprechzeit im Mieterbüro ist oft nicht oder nur ungenügend besetzt.

Wer jedoch die Miete mindert, bekommt sehr schnell Antwort. Dies berichtete ein Mieter aus dem Bereich Elmweg / Deisterstraße. Dort wurden die Bauarbeiten zwar schon im letzten Jahr abgeschlossen, aber die Wohnqualität hat aufgrund diverser Mängel abgenommen. Weil er deshalb weniger Miete zahlen will, bekam der Mieter eine fristlose Kündigung. Zum Glück wird er rechtlich unterstützt. Ein Tipp: Dies ist unbedingt erforderlich, bevor Miete einbehalten wird!

Etwas Positives: Eine Mieterin betonte, die Aktivitäten und Informationen der Mieterinitiative hätten ihr Mut gemacht, sich auch zu wehren.

Diesen Mut werden die Betroffenen weiter brauchen. Die Baustellen im Süntel- und Rodeweg sind weiterhin eine Zumutung. Ständig offene Eingangstüren, halsbrecherische Zugänge, Wintergärten, die nicht gelüftet werden können, etc. etc.

Demnächst werden die Nebenkostenabrechnungen für 2021 kommen: Während der Strangsanierung liefen in den leeren Wohnungen die Heizungen auf Hochbetrieb. Der Rat von Cornelius Blessin vom Mieterverein Göttingen, der dankenswerterweis an der Versammlung teilnahm und auf verschiedene Fragen kompetent antworten konnte: Diese Kosten sind aus der Abrechnung heraus- zurechnen!

Die Frage des weiteren Vorgehens der Mieterinitiative wurde nicht abschließend beantwortet. Ganz sicher aber wird es weitere Treffen der Mieterschaft geben, denn der persönliche Austausch ist immer wieder sinnvoll – auch wenn Bitterkeit, Frust und Galgenhumor aufkommt, wie im passenden Schlusswort einer

Mieterin: „ Wenn der (sogenannte) Mieterkoordinator uns „Guten Morgen“ sagt, hat er schon zweimal gelogen“

Es steht aber allen Mieter*innen weiterhin das Mieter*innentelefon zur Verfügung: 0178-5884649

Solche Erfahrungen machen wohl nicht nur LEG-Mieter:innen aus Grone.
Widersprechen sie dem, was der Konzern seinen Investoren schreibt?



„Eine hohe Kundenzufriedenheit setzt voraus, dass Mieter sich jederzeit mit ihren Bedürfnissen und Problemen an uns wenden können. Hierfür bietet die LEG ihren Kunden vielfältige Möglichkeiten und Kanäle an, mit uns in Kontakt zu treten.“ (LEG Immobilien)



Jederzeit anrufen können Mieter:innen schon. Aber fast jeder vierte Anruf (23%) eines Mieters (aus welchem Grund auch immer : Beschwerde, Mängelanzeige, usw.) wird von der LEG nicht sofort angenommen und beantwortet wird, sondern macht wiederholte Anrufe nötig (schreibt der Konzern selbst im Geschäftsbericht 2021, Seite 116). Wann und wie die Anliegen der Mieter:innen konkret bearbeitet werden, dazu teilt der Konzern nichts mit. Die Kosteneffizienz – Steigerung der Mieteinnahme und Senkung der Bewirtschaftungskosten – bleibt auf jeden Fall ein zentrales Ziel des Unternehmens. Deswegen wird u.a. der Kundenkontakt immer mehr digitalisiert und kostengünstig der „robotergesteuerten Prozessoptimierung (RPA)“ überlassen.
53 Robots und Cobots sind breits im Einsatz (so der zitierte Geschäftsbericht, Seite 18).

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Soziale Stadtentwicklung

Wohnungslose brauchen einen guten Platz in der Innenstadt

Untere Maschstrasse 13b

Die Idee einer sozialen Stadt, in der alle Menschen gut leben können und auch – das ist eine Voraussetzung dafür – gut und bezahlbar wohnen können (oder überhaupt wohnen können !), diese Idee wird sicher von vielen geteilt. Wohl auch von Politiker*innen. Doch die Praxis der Stadtpolitik versteht unter einer sozialen Stadtentwicklung ganz offensichtlich etwas anderes. Der Umgang mit der alten JVA hat dies gezeigt (https://stadtentwicklunggoettingen.wordpress.com/2022/07/05/was-haben-alte-jva-und-hagenweg-20-gemeinsam/ ). Und auch der Umgang mit der Heilsarmee – gegenüber der alten JVA – macht die Realität sozialer Stadtpolitik in Göttingen deutlich. Dem hier wiedergegebenen offenen Brief des Waageplatz-Viertels (https://waageplatz-viertel.org/) vom 6.9.2022 ist nichts hinzu zu fügen.

Wohnungslose brauchen einen guten Platz in der Innenstadt – Unsere Nachbar*innen bleiben

Offener Brief an Petra Broistedt, Oberbürgermeisterin Stadt Göttingen

Sehr geehrte Frau Broistedt,
am 11. September begehen wir deutschlandweit den Tag der Wohnungslosen. Ein Anlass für uns, Ihnen unsere große Sorge um unsere Nachbar*innen aus dem Wohn- und Übernachtungsheim der Heilsarmee mitzuteilen. Es drängt, dass die von der Stadt Göttingen unterbrochene Kommunikation mit der Unterkunft von Ihnen wieder aufgenommen wird. Ein weiteres Aussitzen und Nicht-kümmern droht in einem Desaster für uns und unsere Nachbar*innen zu enden. Auch wohnungslose Menschen verdienen eine sichere Zukunft und einen Platz in der Innenstadt. Es ist höchste Zeit, dass alle Beteiligten eine realisierbare, gute Perspektive entwickeln und vereinbaren.
Die Stadt Göttingen ist Vermieter*in des Gebäudes Untere-Masch-Straße 13b, in welchem die Heilsarmee aktuell noch bis zu 21 wohnungslosen Menschen Obdach, Versorgung, Gemeinschaft und ein „Zuhause auf Zeit“ bietet. Die baulichen Zustände des Hauses sind jedoch – wie Sie vielleicht wissen – teils schlicht erschreckend. Es sei hier nur massiver Schimmelbefall im Keller genannt, der eine Sperrung von Räumen und den einhergehenden Ausschluss von Frauen bedeutet, sowie instabile Böden, Decken und gerissene Wände, die teils nur provisorisch geflickt wurden. Auch auf den zweiten Blick scheint die Stadt Göttingen ihren Pflichten als Vermieter*in nicht nachzukommen. Unserem Eindruck nach besteht offenbar seit Jahren kein Interesse, die Mängel zu beheben. Wir wissen, dass die Heilsarmee das Gebäude aufgrund der baulichen Mängel und der fehlenden Barrierefreiheit mittelfristig nicht mehr nutzen kann. Seit Jahren sind die Menschen daher händeringend auf die Entwicklung einer alternativen Immobilie angewiesen. Wenn es nach uns geht, in unserem Viertel – wir leben gerne zusammen. Aktuell wird jedoch nicht offen kommuniziert und nach wirklichen Lösungen gesucht. Dabei sollten die Gesundheit und das Wohlergehen aller Bürger*innen oberste Priorität der Stadtpolitik sein.
Wir sind über die Hartnäckigkeit der Stadt Göttingen erschrocken. Bereits im Jahr 2011 stellte die Stadt den Bedarf für diese Einrichtung in Frage und sprach sogar von einer möglichen Kündigung der Verträge. Dies scheiterte jedoch am massiven Widerstand der Öffentlichkeit. Bei uns entsteht der begründete Eindruck, dass dies nun durch die berühmte „Hintertür“ erfolgen soll. Es scheint, dass die Stadt einfach auf Zeit spielt. Irgendwann wird ein Gutachten feststellen, dass im verfallenden Gebäude keine Menschen mehr wohnen können und dürfen. Dann war’s das für die Bewohner*innen der Heilsarmee. Selbstverständlich wissen Sie um die Verträge der Heilsarmee mit dem Land Niedersachsen, in denen Bedingungen für den Betrieb der Unterkunft festgeschrieben sind. Von einem Tag auf den anderen stünden unsere Nachbar*innen in einem solchen Szenario ganz wirklich auf unseren Straßen. Die gewachsene soziale Gemeinschaft mit teils langjährigen, auf Hilfe angewiesenen Bewohner*innen und engagierter fachlicher Betreuung wäre zerschlagen. Was denken Sie sich? Sollen die Wohnungslosen doch woanders hingehen? Sollen in Göttingen Wohnungs- und Obdachlose keinen Platz in der Innenstadt haben? Werden Sie sich mit bedauerndem Blick vor die Presse stellen und mitteilen, dass nicht die Stadt Göttingen, sondern das Land Niedersachsen die Schuld trägt, dass die Heilsarmee, als eine wichtige Anlaufstelle für Obdachlose leider nicht mehr in der Stadt Göttingen existiert – die Stadt habe eben so kurzfristig kein konzept-adäquates Ausweichquartier finden können? Was ist der verdeckte Plan? Soll auch das Gebäude Untere-Masch-Straße 13b an einen Investor gehen, anstatt es mit den bewilligten Fördermitteln aus dem Städtebauförderprogramm Sozialer Zusammenhalt zu sanieren? Wäre das „Innovation“ und „Ein Göttingen für Alle“ (P.B.)?
Nachhaltig erschüttert hat uns auch der geschmacklose Vorstoß aus dem Bauausschuss, das Soziale Zentrum könne ja in das Gebäude der Heilsarmee gehen – ohne zuvor das Gespräch mit den Nutzer*innen gesucht zu haben. Und wissentlich, dass sich unser Konzept des Sozialen Zentrums nicht in diesem Gebäude realisieren lässt. Im übrigen werden wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Jahrelang hat die Stadt Göttingen für die Wohnungslosen in der Heilsarmee nicht angemessen gehandelt, im schlimmsten Falle Aktivität gezielt nur angedeutet.
Wir Nachbar*innen aus dem Waageplatz-Viertel fordern die Stadt Göttingen auf
wieder mit der Heilsarmee in Kontakt zu treten,
dringendste Reparaturen/Instandsetzungen fachlich qualifiziert sofort ausführen zu lassen,
die gewonnene Zeit für eine intensivierte Suche nach einer adäquaten Immobilie – am Waageplatz oder in Bahnhofsnähe zu nutzen.

Freundliche Grüße,
Forum Waageplatz-Viertel

P.S.: Wenn der/die Leser*in den Eindruck hat, unsererseits würde übertrieben, so geben wir folgende Empfehlung: Nehmen Sie eine 20 Euro Spende in die Hand und begeben Sie sich auf den Weg zur Heilsarmee, um sich dort vor Ort das Desaster von der Heimleitung zeigen zu lassen.

LEG in Grone Süd

„Stell´dir vor, alles steht fett in der Zeitung, und es ändert sich – N I C H T S“

Seit Beginn diesen Jahres gehören die Wohnungsbestände der Westgrund/Adler Group nun der LEG Immobilien SE, dem momentan zweitgrössten Immobilienkonzern in Deutschland. Die Übernahme bereitete der LEG einige (technische) Probleme, weil sie offenbar chaotische Verhältnisse vorfanden – nicht nur bauliche. Jetzt – nach einem halben Jahr – sind diese Schwierigkeiten weitgehend überwunden. Und es stellt sich in der Bewirtschaftung der Wohnungen und im Umgang mit Mietern die LEG-Normalität ein. Was dies für Mieter bedeutet, schildert ein Bericht in den aktuellen „Göttinger Blättern“, der hier wiedergegeben wird. Dass die Göttinger Verhältnisse kein Sonderfall sind, zeigt ein kurze Recherche im Internet (s.u.). Wie bei der Adler Group und bei Vonovia geht es auch bei der LEG in erster Linie darum, Gewinne und Dividenden für Aktionäre zu erhöhen, finanziert durch steigende Mieten bei „kosten-effizienter“ Bewirtschaftung.

Der folgende Text erschien in den Göttinger Blättern (Ausgabe: Juli/August 2022).

LEG – „Stell´dir vor, alles steht fett in der Zeitung, und es ändert sich – N I C H T S“

„Wer kann, zieht weg“, so zitiert das Göttinger Tageblatt vom 1. Juni eine Mieterin der LEG in Grone Süd. Und es heißt dort auch, die „Kritik an der Neu-Eigentümerin“ reißt nicht ab.

(Teil I )
In vielen Staaten dieser Welt gibt es keine Pressefreiheit. Dort dürfen die unterschiedlichsten Dinge nicht geschrieben werden: Ob es Kritik an Staatsoberhäuptern ist oder den Machenschaften von Oligarchen. Die Pressefreiheit wird dort mit Füßen getreten. Wir alle kennen diese Horrorstorys und die Mutigen, die trotzdem unter großen Gefahren recherchieren, sind nur zu bewundern. Aber immer nur, wenn damit die Hoffnung verbunden ist, dass dies etwas ändere …
Da haben wir es hier weitaus besser. Hier kann jeden Tag Kritisches in der Zeitung stehen. So können auch Immobilienkonzerne voll Inbrunst angeklagt werden: In dem o.g. GT-Artikel über die LEG wird der Vorsitzende der Göttinger Linken im Rat mit dem Vorwurf zitiert, „das Gebaren der LEG erinnert an Mafia-Methoden“. Er meint damit, dass die Mieter*Innen durch Drohanrufe unter Druck gesetzt werden. Und diese Methoden wirken tadellos: Es fand sich nur eine Mieterin, die bereit war, namentlich zitiert zu werden. Alle anderen haben Angst.
Natürlich weist die LEG, die sich erst vor einigen Wochen im Bau- und Sozialausschuss den Ratsmitgliedern und der Verwaltung im besten Licht vorgestellt hat, diese Vorwürfe „aufs Schärfste“ zurück. – und das war’s dann …
Alles ist hinlänglich bekannt: Zahlreiche Berichte im Göttinger Tageblatt haben wirklich ungeschönt die Zustände geschildert. Es gab Fernsehberichte im NDR, auf SAT 1 und in den sozialen Medien.
Auch in den Göttinger Blätter gab es seit Monaten kaum eine Ausgabe, in der nicht darüber berichtet, geschimpft und gefordert wurde.
Nur, Hand aufs Herz, liebe Lesende: Wen interessiert das eigentlich – außer den Mieter*innen, Mietaktivist*innen, linken Politiker*innen und einigen Gutmenschen noch? Dass die Menschen im Süntelweg seit einem Jahr auf der Baustelle hausen und es im Rodeweg genauso unerträglich weitergeht?
Wirklich schlimm und zutiefst frustrierend ist jedoch, dass es den Investoren herzlich egal sein kann, was in der Zeitung steht. Es muss hier zu Lande gar nicht erst verboten sein, solch mächtige Akteure „aufs Schärfste“ anzugreifen. Man kann alles sagen, schreiben, auf Kundgebungen herausbrüllen, an Häuserwände sprayen oder was auch immer tun. Im Falle der Zustände auf den Baustellen der Adler-LEG nützt das alles leider – mit Verlaub gesagt – nichts. Was die Öffentlichkeit im Allgemeinen und ihre Mieterschaft im Besonderen von dem Investor halten, scheint diesen wenig zu interessieren. Sie scheinen im kapitalistischen System unbegrenzte Macht zu haben
Auch das Interesse der Grünen am Groner Prekariat ist schnell erlahmt. Nach dem ganzseitigen Artikel jetzt Anfang Juni gab es von keiner politischen Seite irgendeine Reaktion.
Um den alten Brecht zu zitieren: „Gehen nach Orten, die durch Gehen nicht erreicht werden können, muss man sich abgewöhnen. Reden über Angelegenheiten, die durch Reden nicht entschieden werden können, muss man sich abgewöhnen.“

Vielleicht deshalb nützt der Protest im „Schmuddelstadtteil“ Grone wenig und auf Zeitungsberichten werden sich Eier gepellt.
Es wird Zeit, nach anderen Orten und Formen des Protestes zu suchen!

(Teil II )
Um auf die Frage von Seite 1 zurückzukommen, wen das eigentlich noch wirklich interessiert, was in ihrem Zuhause passiert:
Es interessiert natürlich die Menschen, die seit einem Jahr in Dreck und Lärm und vielfältigem anderen Unbill leben müssen. Sie nehmen hin, dass sie das aushalten müssen. Denn selbst, wenn es vereinzelt noch rare Exemplare einer bezahlbaren Wohnung gäbe, haben sie keine Chance, sie zu bekommen. Weil sie Migrant*innen sind und/ oder zu viele Kinder haben, zu wenig Einkommen, mit kleiner Rente, in Hartz 4 oder in Grundsicherung, etc.
Also ist für die Betroffenen nur Aushalten angesagt und dabei zu erleben, dass es den Rest der Stadt wenig schert.
Vor Corona, zu Beginn der Modernisierung, hatte sich eine Gruppe von Mieter*innen als Groner Mieterinitiative in lockeren Abständen getroffen. Diese Gruppe ist leider sehr geschrumpft. Die Unterstützer*innen vom Verein IN-Grone und Grobian machen weiter, verteilen Flugblätter und sind ansprechbar für die Betroffenen. (hier noch einmal die Telefonnummer vom Mietertelefon: 0178-5884649)
Auch wurden bereits zwei Treffen mit Vertreter*innen der LEG organisiert.
Einerseits ist es ein wenig perfide, dass die LEG sich mit diesen Treffen brüstet; sie versucht den Kontakt zur Mieterinitiative für sich zu instrumentalisieren. Als Zwischenüberschrift in dem o.g. GT-Artikel nachzulesen: „LEG- Sprecher Roschin gibt an, im stetigen Kontakt und Austausch mit der Mieterinitiative zu sein“.
Andererseits nutzen die Aktiven diese Möglichkeit und bringen hier die Forderungen der Mieter*innen ein – und die Gespräche sind weit weg von „einvernehmlich“. Das sagt der Pressesprecher natürlich nicht. Die Mieterinitiative informiert die Mieter im Anschluss an die Gespräche auch regelmäßig.
Leider gab es auch dort mehr leere Versprechungen als belastbare Vereinbarungen zugunsten der Bewohnerschaft.
Da kann es einem als Betroffene speiübel werden. Und vor allem kommt ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit aller Bemühungen und allen Protestes hoch und setzt sich fest.
So traf die Verfasserin dieser Zeilen neulich einen älteren Herrn vor seinem Eingang im Süntelweg. Dort gibt es momentan keine Klingeln mehr an der Hauseingangstür. Deshalb steht diese immer offen. Der Nachbar erzählte von seiner kranken Frau und dass sie nicht wegziehen könnten und es hätte doch alles schon so oft in der Zeitung gestanden, aber geändert habe sich: Nichts.
Im November letzten Jahres gab es eine große Kundgebung zu der Misere in Grone und allgemein zum Mietenwahnsinn. Eine tolle, gut besuchte Aktion. Es hatten sich sogar Mitglieder der Grünen-Ratsfraktion eingefunden und sich die Chaosbaustelle zeigen lassen. Eine kurze Zeit sah es so aus, als ob nicht nur die Göttinger Linke Interesse und Engagement für die Mieterschaft hätte.
Schließlich gibt es ja seit Sommer 2021 bei der Stadt eine eigens eingerichtete Verwaltungsstelle, die sich um prekären Wohnraum kümmern soll. Letzten Winter haben sich auch die Grünen daran beteiligt, die Verwaltung zum Jagen zu tragen. Die zuständigen Fachdienste für Bauen, Gesundheit, Soziales etc. sollten dazu zu bewegt werden, die Adler bzw. LEG in die Pflicht zu nehmen.
Doch lässt sich die Verwaltung leider in schöner Regelmäßigkeit von den Investoren abspeisen mit Versprechungen und geschönten Vorträgen. Man fragt sich, warum das so wie geschmiert funktioniert.
Der Redakteur des Göttinger Tageblattes war beim letzten Ortstermin im Süntelweg in Grone sichtlich entsetzt von den Zuständen, in denen dort Menschen leben. Dies kommt in seinem Text und den Fotos gut rüber. Seine Frage: „Was tut eigentlich die Stadt gegen all dies?“ konnte die anwesende Mieterin nur mit einem sehr eindeutigen „Nichts“ beantworten.
Die Unterstützer*innen im Stadtteil zerbrechen sich den Kopf, wie weiter vorgegangen werden kann. .Sie sind ihrerseits teilweise frustriert; auch von den Mieter*innen, die kaum noch zum solidarischen Protest zu bewegen sind, sondern resignieren. Das Erleben, dem Investor und der Situation am Wohnungsmarkt ausgeliefert zu sein, zermürbt.

Was also ist zu tun, kann überhaupt getan werden, um der Resignation entgegen zu wirken?
Vielleicht mal andere Wege gehen?

Wie wäre es, den Protest in die Wohnviertel der städtischen Entscheidungsträger*innen zu verlegen? Politik und Verwaltung sind quasi die Geschäftspartner der Investoren. Diese haben ein Interesse daran, dort zu gefallen und im Bündnis für bezahlbaren Wohnraum zu verbleiben.
Neue Wege, diese unheilige Allianz zwischen Stadt und LEG zu stören, müssen gefunden werden. Die geneigte Leserschaft ist herzlich eingeladen, sich dazu die linken Köpfe zu zerbrechen und (auch verrückte) Ideen zusammen zu tragen. Denn: Der Mietenwahnsinn geht uns alle an, auch wenn er nicht überall so gnadenlos wütet wie die ganze Zeit in Grone Süd. (bs)“

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Dass Göttingen nicht ein Sonderfall der LEG ist, zeigen eine kleine Auswahl von Zeitungsmeldungen und Gegenanträge von kritischen Aktionär:innen auf der letzten Hauptversammlung der LEG.

Kritische Mieteraktionäre :
Gegenanträge zur LEG-Hauptversammlung am 19.Mai 2022
.(https://mieteraktionärin.de/gegenantraege-leg-hauptversammlung-2022/)

Mietrinnenverien Witten vom 05.05.2022:
Wittener MieterInnen im Dauerstress mit der LEG.
(https://www.mvwit.de/mieterinnen-im-dauerstress-mit-der-leg/)

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 23.04.2022
LEG- Mieter in Hattingen – Kein Strom und warmes Wasser“
(https://www.waz.de/staedte/hattingen/leg-mieter-in-hattingen-kein-strom-und-warmes-wasser-id235146317.html)

NWZonline vom 27.04.2022:
„Auricher beschweren sich bei LEG: Diese Mieter leben mit Wasser im Keller und Schimmel in der Wohnung“.
(https://www.nwzonline.de/plus-aurich/aurich-wohnen-wasser-im-keller-und-schimmel_a_51,7,866077966.html)

Westfälische Nachrichten vom 02.12.2021
Mieter ärgern sich über Schimmel und leerstehende Wohnungen“
(https://www.wn.de/muenster/mieter-argern-sich-uber-schimmel-und-leerstehende-wohnungen-2499135?pid=true)

Neue Westfälische vom 16.04.2021
Bielefeld Wut über Mieter-Abzocke: Junge Mutter friert in ihrer Wohnung
Miserabler Wohnungszustand, dubiose Nebenkostenabrechnungen: Viele sind entsetzt über den Immobilienkonzern LEG – nicht nur im Internet formiert sich jetzt Gegenwehr.“

(https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22993077_Wut-ueber-LEG-Abzocke-Junge-Mutter-ohne-Warmwasser-und-Heizung.html )

WDR Nachrichten vom 26.08.2021:
Ärger wegen Schäden in LEG-Wohnung in Münster. Stand: 26.08.2021“
(https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/leg-mieter-fordert-reparaturen-104.html)

Westfälische Nachrichten vom vom 17.08.2020:
Mieter des Wohnungskonzerns LEG demonstrieren – Hohe Rendite, wenig Rücksicht
Die Mieterschutzvereine in Münster haben die Akten voll mit Beschwerden von Mietern des Wohnungskonzern LEG. Am Montag demonstrierten einige Mieter vor der münsterischen Niederlassung des Unternehmens…
(https://www.wn.de/muenster/hohe-rendite-wenig-rucksicht-825973)

Neue Westfälische vom 06.09.2015 :
Gütersloh Mieter klagen über die LEG. Immobilienkonzern weist Kritik über hohen Mietzins und schlechten Service zurück.“
(https://www.nw.de/lokal/kreis_guetersloh/guetersloh/20560152_Mieter-klagen-ueber-die-LEG.html)

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Die Geschichte Adler in Grone geht zu Ende.

Der Immobilienpoker geht weiter.

Ein Beitrag des Wirtschaftsgeografen Hans-Dieter von Frieling

Es ist mal wieder so weit: Die Groner Mieter der „Adler“ dürfen sich auf einen neuen Vermieter einstellen. Nach rd. 6 Jahren verkauft die Adler Group ihre Wohnungsbestände in Göttingen, Wolfsburg, Wilhelmshaven und anderen Städten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein an den Konkurrenten aus Nordrhein-Westfalen, die LEG Immobilien SE. Die LEG wird der sechste Eigentümer sein innerhalb von nicht einmal 20 Jahreni. Es gibt wohl keinen grösseren Wohnungsbestand in Göttingen, der so drastisch vom Immobilienpoker betroffen ist.

Die LEG Immobilien SE :
Zweitgrösster Aktionär der LEG ist – September 2021 – mit einem Anteil von 9,3% Black Rock, nach MFS mit 10,5% (MFS gehört mehrheitlich der Sun Life Financial (SLF), Toronto (Kanada); weitere Grossaktionäre sind die Bank BNP Paris AM (3,2%) und der Vermögensverwalter Flossbach von Storch (2,9%).
(nach https://ir.leg-se.com )

Ende 2015 veranschlagt die Adler Real Estate (ARE) den Marktwert ihres Wohnungsbestandes (17.332 Wohnungen) in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen auf rd. 770 Mio. €.i Aktuell verkauft sie diesen, auf 15.350 Wohneinheiten verringerten Bestand zum „Marktwert“ von knapp 1,5 Milliarden €.ii Selbst wenn dieses eine Art Notverkauf sein sollte, weil die Adler Group zu hoch verschuldet sein sollteiii, erstaunlich ist doch der enorme Wertzuwachs. Die Spekulation mit Immobilien hat sich ganz offensichtlich gelohnt. Und etwas anderes hatte die ARE, als sie 2015 die Westgrund und damit die Groner Wohnungen kaufte, auch nicht vor. Sie wollte die Immobilien nutzen als Basis für spekulative Finanzgeschäfte, die schnell viel Gewinn erbringen. Zu diesem Geschäftsmodell gehört es, ohne grosse Aufwendungen für Instandhaltung die Mieten zu erhöhen und durch Aufwertungen (Aufstockung, Modernisierung) den Wert der Immobilien zu steigern, um sie dann mit deutlichem Gewinn wieder weiter zu verkaufen. Diese Praktiken hat ein Papier des Vereins IN Groneiv schon im Januar 2019 deutlich beschrieben. Und so ist es auch gekommen.

Adler Group:	Wohnein-      Zeitwert 	Jahresnetto-
		heiten			kaltmiete (Mio.€)** 
                              2021 H1	     2017	2021***
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Göttingen 	1.377  WE	158 Mio. €	 4,8	 6,1
Wilhelmshaven	6.890  WE	430 Mio. €	22,5	26,2
Wolfsburg 	1.301  WE	174 Mio. €	6,0	 6,5
Hannover 	1.112  WE	138 Mio. €	5,1*	 5,6
Kiel		  970  WE	131 Mio. €	 5,1*	 5,8

zus.		11.650 WE	1.031 Mio. €	43,5	50,2
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(* für 2018,** der jeweiligen Bestände, *** Annualisierte Halbjahresmieten 1 – 2021.
Quelle: Adler Group 2021, Halbjahres-Finanzbericht 2021, S. 29; Adler Geschäftsbericht 2017. 17; Adler Halbjahresbericht 2018)

Was hier im Verkauf der Adler Group wie ein Finanz-Krimi sichtbar wird, ist ein seit über 10 Jahren bekanntes Modell der so genannten finanzialisierten Wohnungswirtschaft. Die grossen, börsennotierten Wohnungskonzerne wie Adler Group, Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, Grand City Properties sind an ihrer Wohnungen nur als Quelle für Dividenden und als Grundlage für noch mehr Kredite/Anleihen und Geschäfte mit Schulden interessiert. Dass sie Wohnungen bewirtschaften, ist ein notwendiges, eher lästiges Übel. Sie gehen mit ihren Wohnungen daher völlig anders um als eine Wohnungsgenossenschaft, eine Städtische Wohnungsbau GmbH oder ein privater „Klein“Vermieter.

Der spekulierende Leerverkäufer Fraser Perring hatte behauptet, dass die Adler Group aufgrund zu hoher Schulden angeschlagen sei. „Tatsächlich ist das Verhältnis von Immobilienwerten zu Schulden in der Adler-Bilanz ungünstiger als bei anderen Wohnungsunternehmen“, so die SZ (s. Anmerkung 4 und 7) Der dazu häufig verwendete Kennwert LTV (Loan to Value) liegt bei der Adler Group immer noch auf hohen 54,7 (Bei der LEG beträgt der LTV-Wert 34,7; die Adler Group hat den höchsten LTV-Wert unter den grossen Immobilienkonzernen in Deutschland laut LEGi -siehe Grafik)
(zu LTV und anderen finanziellen Kennziffern siehe auch „Göttingen Grone – Objekt spekulierenden Immobiliengesellschaften“ des Vereins für interkulturelle Nachbarschaft in Grone e.V., Januar 2019).

Die herrschende Politik hat das Geschäftsmodell solcher Immobilienkonzerne nicht unterbunden oder eingeschränkt. Im Gegenteil. Landes- und Bundesregierungen haben es mit steuerlichen Regulierungen (wie z.B. Share Deals) zumindest indirekt unterstützt. Stadt und SPD Göttingen haben nicht gerufen: Solche Investoren sind in Göttingen nicht willkommen. Umgekehrt – immer wieder wurden Kritiker und Warner zurechtgewiesen: Ohne Investoren geht es nicht.

Entsprechend diesem Motto wurden die Vorhaben der Adler – Aufstockung, fragwürdige Fahrstühle, energetische Modernisierung – begrüsst und zügig in Bebauungspläne umgesetzt. Im Oktober 2017 beschliesst der Rat, die Bebauungspläne aufzustellen, damit Adler 2018/19 mit den Arbeiten beginnen kann. Doch der Zeitplan scheitert – zum Glück für die Mieter in Grone. Kritik der GoeLinken und Widerstand der Mieter führt zu Verzögerungen, so dass für die Mieter nun die zwischenzeitlich gesenkte Modernisierungsumlage gilt.

Die Göttinger Stadtregierung hat sich immer wieder bemüht, deutlich zu machen, dass Investoren wie Adler nicht nur notwendig sind, sondern auch hilfreich beim Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Sie hat darauf verwiesen, das die Adler AG zu den Unterzeichnern des Göttinger Bündnis für bezahlbares Wohnen (August 2018) gehört. Adler habe im Städtebaulichen Vertrag auch die 30%-Quote für bezahlbaren Wohnraum unterschrieben, wenn sie auch nicht neuen, zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum schafft, wie es eigentlich gedacht ist. Nun ja, Investoren müssen auch Rücksicht auf ihre Aktionäre nehmen.

Dieses Göttinger Bündnis für bezahlbares Wohnen war und ist der durchsichtige Versuch einer Imagepflege. Es soll zeigen, dass die Stadt sich aktiv um mehr bezahlbaren Wohnraum kümmert und dass sie dafür die Unterstützung der privaten Wohnungswirtschaft gewonnen hat. Tatsächlich haben die Unternehmen mit ihrer Unterschrift keine Einschränkungen oder Verpflichtungen unterschrieben. Sie, auch die Adler AG, bekennen sich zu dem, was sie ohnehin vorhaben: mit Immobilien Gewinne zu erwirtschaften. Sie versprechen, dabei auch das Segment von bezahlbaren Wohnungen und Belegungsrechten ‚nach Möglichkeit‘ zu berücksichtigen. Für dieses Entgegenkommen bietet die Stadt Göttingen einen „vertrauensvollen Austausch“ mit der Immobilienwirtschaft, was für Unternehmen Gold wert sei kann.

Warum die SPD im Dezember 2016 überhaupt auf die Idee kommt, ein „Bündnis für Wohnen in Göttingen“ einzurichten, und was das zu tun hat mit der von CDU/FDP durchgesetzten Schuldenbremse und der dadurch kleingesparten Planungs- und Bauverwaltung, die so zum Bremsklotz für das „Bauen, bauen, bauen“ wurde, – das steht auf einem anderen Blatt der verfehlten rotgrünschwarzgelben sozialen Wohnungspolitik.

Der politische Entschluss, dass der „Markt“ die Wohnungsfrage zu lösen hat, ist offenkundig unerschütterlich. Auch wenn es in der Zusammenarbeit mit dem „Markt“, sprich den Unternehmen, knirscht, holpert oder gar nicht klappt. Das neoliberale Dogma wird nicht aufgegeben.

Die Göttinger Stadtpolitik hat nicht nur einmal erfahren, wie schwierig Investoren dieser Art wieAdler sind. Die Unternehmen verfolgen konsequent ihre privaten Gewinninteressen (was sie ja auch sollen) und sollen das dann aber auch so machen, dass soziale Interessen verwirklicht werden. Wie soll das gehen? Adler hat der Stadt wiederholt klar gemacht, wo die Prioritäten liegen: z.B. beim Kauf von Belegungsrechten Ende 2016, bei der Absicherung der 30%-Quote im Städtebaulichen Vertrag 2018/19, bei der fristgerechten Ankündigung der Modernisierungsmassnahmen 2020, bei der (Nicht-)Erfüllung des Städtebaulichen Vertrages über den Bau(beginn) einer dringend benötigten Kindertagesstätte 2021. Das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens, das private Interesse der Bereicherung, hat Vorrang.

Konsequent wird das Treiben der „Miethaie“ so gut wie gar nicht reguliert. Share Deals z.B., durch die in diesem Verkaufsfall „Dutzende Millionen“ Grunderwerbssteuer gespart werden könnenvi, sind noch immer legal. Mieter müssen durch Mieterhöhungen der Wert der Immobilie steigern zu Gunsten der Aktionäre. Um rd. 27% (oder 1,20 €) ist die Quadratmetermiete in den Groner Adler-Wohnungen seit Ende 2015 gestiegen – auf derzeit durchschnittlich 6,12 €/qm netto kalt. Mit steigenden und oft auch überhöhten, falsch abgerechnete Nebenkosten müssen sich Mieter in Grone herumschlagen. Auf die energetische Modernisierung, im Kern ja sinnvoll und notwendig, haben sie keinen Einfluss, die drohenden Mietsteigerungen sollen sie hinnehmen wie den nächsten Starkregen.

Aber vielleicht tun sie es auch nicht und greifen zu „Regenschirmen“ oder drängen auf „Klimaschutzmassnahmen“ wie die Groner Mieterini und das breite Göttinger Bündnis „Gutes für Alle“. Sie fordern eine neue, soziale Wohnungspolitik: Statt Miete für Profite braucht es eine Vergesellschaftung der grossen Immobilienkonzerne und eine soziale Wohnraumversorgung als öffentliche Aufgabe.

Der aktuelle Immobilienpoker ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass so die dringlichen Wohnungsprobleme nicht gelöst werden.

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H.D. von Frieling , November 2021
Eine leicht gekürzte Fassung ist erschienen in: Göttinger Blätter, November 2021
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iARE: Geschäftsbericht 2015

iiMitteilung der LEG vom 11.10.2021; https://ir.leg-se.com/investor-relations/ad-hoc-meldungen/…; SZ vom 12.10.2021

iiiVgl. Viceroy Research 2021: Adler Group – Bond Villains

ivVerein für interkulturelle Nachbarschaft in Grone e.V. IN Grone: Göttingen Grone – Objekt spekulierender Immobiliengesellschaften. Januar 2019; siehe auch von Frieling, H.D. – Mießner, M. – Marlow, R. 2020: Wohnraum Atlas Göttingen. (https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-707951) und https://stadtentwicklunggoettingen.wordpress.com

vLEG Immobilien SE: Company Presentation September 2021, p.13)

viSZ vom 12.10.2021

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Wohnungspolitik in Göttingen: Bündnis 90/Die Grünen

Ein Beitrag des Wirtschaftsgeografen Hans-Dieter von Frieling

Faire Mieten.
ALLES ist drin
.

Aber:
Schaffen faire Mieten bezahlbare Mieten?

Für den Göttinger Stadtverband der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist das Thema Wohnen und bezahlbarer Wohnraum wichtig. Seit Jahren engagieren sich GRÜNE in der Göttinger Wohnungspolitik, bringen Anträge im Rat ein, besuchen Protestveranstaltungen von Mieterinitiativen, formulieren grundsätzliche Positionen. Welche Wohnungsversorgung, welche Wohnungspolitik wollen die GRÜNEN? In dem aktuelle Kommunalwahlprogramm fordern die GRÜNEN (S. 19-21):

Leben & Wohnen – sozial & gerecht, menschenwürdig, ökologisch, bezahlbar“

Dafür fordern sie unter anderem: Ausbau des kommunalen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbestandes, das Mietniveau in den Griff bekommen durch qualifizierten Mietspiegel und funktionierende Mietpreisbremse, 30%-Quote für bezahlbaren Wohnraum, Umsetzung des Housing First-Ansatzes, Einrichtung und dauerhafte Finanzierung von Stadtteilzentren mit festen Ansprechpartner:innen in jedem Orts- bzw. Stadtteil, Förderung innovativer und gemeinwohlorientierter Wohnkonzepte, Schaffung von Ersatzwohnraum für Mieter:innen im Sozialleistungsbezug, Entwicklung geeigneter Rahmenbedingungen für eine ökologische und soziale Wohnungspolitik und -wirtschaft, usw.

Die GRÜNEN engagieren sich für viele Punkte, denen man kaum widersprechen möchte.

Bezahlbarer Wohnraum für alle, klimaschützend und flächen-/ressourcensparend in lebendigen Quartieren mit einem gelebten nachbarschaftlichen Miteinander und Schutz der Schwächeren. Das Programm klingt sehr ambitioniert, fast wie eine Lösung der über ein Jahrhundert alten Wohnungsfrage.

ALLES ist drin“ – Aber wie wollen die GRÜNEN das verwirklichen?

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